Dienstag, 5. Mai 2015

Als die Ruedertaler (auch) als Posamenter arbeiteten

Posamenter. Also ich musste auch zuerst nachschlagen, was das heisst. Und im Weberei- und Heimatmuseum Ruedertal in Schmiedrued konnte ich mir dann auch ein Bild machen von der Arbeit. Und die war hart, das Leben war kein Zuckerschlecken in diesem (damals) abgelegenen Tal.

Das Ruedertal wird sowohl wohlmeinend wie auch ein wenig abschätzig "das Aargauer Emmental" genannt. Wohlwollend wegen den schönen Hügeln und Wäldern, etwas abschätzig, weil die Leute hier sehr eigen sind und Freikirchen regen Zulauf haben. Zumindest war es mal so, oder man glaubte, dass es so sei. Item. Dass dieses kleine Tal aber auch eine interessante Geschichte hat, erfährt man im besagten Museum, das im ehemaligen Schulhaus untergebracht ist. Bandweberei im Auftrag der Bally Bandfabrik und anderen war ein willkommener Nebenerwerb.
In der Stube der Bauernhöfe stand ein Webstuhl, an dem am Abend weiter gearbeitet wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde auf Geheiss von Bally der Strom ins Ruedertal gebracht, was von den Einheimischen lange bekämpft wurde, da diese "neumodische Kraft Teufelszeug" sei. Man vertraute lieber der Wasserkraft, was auch der Grund ist, weshalb die alten Häuser im schattigen Talboden stehen und nicht an den sonnigen Hängen. Aber man beugte sich der Macht und den Umständen. Die Webstühle gehörten den Heimarbeitern, die Elektromotoren finanzierte die Bally vor. Allerdings mussten die Posamenter die Schulden abstottern. 100 Franken kostete so ein Motor, was eine gewaltige Summe war damals. Nun stehen drei dieser mechanischen Webstühle im Museum, eine Frau, die das alles noch miterlebt hat erzählt, wie es damals war. Da war für die Kinder nichts mit spielen, da wurde nach der Schule gearbeitet. Es ist erstaunlich, wie schnell und präzise diese Maschinen arbeiten, denn jede einzelne wird nun vorgeführt.Aber die Webstühle waren auch laut. Wie das tönt, wenn alle drei arbeiten, kann man diesem Video entnehmen:

Einer der Webstühle war bis 1985 in Betrieb! Nach und nach wurden alle verschrottet, für das Museum konnten einige gerettet werden. Die Kinder mussten damals die Fadenspulen wickeln, wofür es auch wieder Maschinen gab.

Im Treppenhaus des Museums findet man die Jahresausstellung zum Thema "Post im Ruedertal". Da es im Ruedertal seit rund zehn Jahren keine Poststelle mehr gibt, ergänzen nun verschiedene Relikte die Ausstellung. Alte Postkarten zeigen eine vergangene Welt. Zum Beispiel wurde die Ablösung der Pferdekutsche durch ein Motorfahrzeug gefeiert.


Auch Geräte, die man heute nicht mehr kennt, sind ausgestellt.



Im nächsten Stock finden wir eine komplette Schuhmacherwerkstatt vor. Spannend, aus wie vielen Teilen so ein Schuh besteht. Jedenfalls ein qualitativ hochwertiger, wie sie früher hergestellt wurden.






Im selben Raum ist auch ein kleines Café eingerichtet, das von Freiwilligen des Vereins geführt wird. Da erfährt man im Gespräch mit ihnen noch viele interessante Fakten. Im Dachgeschoss finden wir die Uhr des Schulhauses Schiltwald (wo der Roman "Schilten" von Hermann Burger spiel) vor sowie eine Schmiedewerkstatt.

Ochseneisen


Nun wurden wir gefragt, ob wir die Modelleisenbahnanlage auch noch sehen möchten. Ja, klar! Also, alle Treppen runter, am Eingang nimmt uns der Sohn des Vereinspräsidenten in Empfang und führt uns aussen rum in den Keller. Dort steht eine grosse Spur-0-Anlage, die der Junge uns voller Stolz vorführt.


Nach dieser Demonstration kehrten wir in die Kaffeestube zurück für eine kleine Stärkung. Und weitere spannende Geschichten zu erfahren. Ach ja: Posamenter sind übrigens Bandweber.

Info

Das Museum ist zwischen März und Oktober jeden ersten Sonntag im Monat von 14:00 - 16:30 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, aber Spenden sind willkommen, denn das Museum wird von einem Trägerverein geführt. Mehr unter http://www.webereimuseum.ch/.

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