Dienstag, 7. Juli 2015

Familienparadies Engstligenalp

Die Engstligenalp bei Adelboden ist nur zu Fuss oder mit der Seilbahn erreichbar. Kommt man oben an, steht man auf einer Hochebene, umrahmt von Bergen. Perfekt, um mit Kindern mitten in den Bergen zu sein und doch auf sicherem Terrain. Wir haben geprüft, was man so alles machen kann dort. Es ist jede Menge!


Wir haben am Samstagmorgen mit Sämi Moser von den Bergbahnen Engstligenalp AG abgemacht. Auf der Hinfahrt immer die bange Frage: Regnet es oder ist es trocken? Immer wieder fallen ein paar Tropfen, um Bern ist es trocken. Je näher wir aber dem Kandertal kommen, desto feuchter ist es. Und in Adelboden trübt dann ein veritabler Landregen unsere Stimmung. Dabei wollen wir doch einen Klettersteig machen! Die Wetterprognosen sämtlicher Apps, die ich installiert habe, liegen falsch. Sämi empfängt uns vor der Talstation und schlägt vor, erst mal etwas Warmes zu trinken. Nach einer Weile scheint der Regen tatsächlich nachzulassen. Wir fassen die Klettersteigsets. Ausser meiner Frau hat noch keiner von uns einen Klettersteig gemacht, so dass wir nun gespannt sind, was uns erwartet. Der Klettersteig "Chäligang" startet rechts des Unteren Engstligenfalles. Eindrücklich stürzen die Wassermassen über die Steilstufe. Nach einer Brücke steht eine Infotafel, die erklärt, wie man sich auf dem Klettersteig verhalten soll. Daneben ist ein Stück Drahtseil mit Verankerungen, wo man schon mal gefahrlos üben kann.


Noch können wir uns aber nicht einklinken, wir müssen noch weiter hochsteigen. Erst dann erreichen wir das Drahtseil. Der Weg sieht nicht schwierig aus, mancher Weg in den Bergen sieht so aus. Zwischendurch gibt es auch felsige Kletterstellen, wo man sich richtig festhalten muss. Alles in allem ein idealer Klettersteig für Anfänger: Nie schwierig, nie ausgesetzt, aber immer etwas zu tun. Und man gewinnt schneller an Höhe als auf dem normalen Wanderweg. Wir geniessen die Aussicht auf Adelboden, darüber brodeln die Wolken. Plötzlich ruft Silvan von unten "PAPA!!!". Ui, was ist jetzt passiert? Ich schaue nach unten und erblicke ein strahlendes Kindergesicht. "Eben ist ein Mauerläufer vorbeigeflogen!" Ganz aufgeregt erzählt er, wie er ihn entdeckt hat. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Wie schön, wenn Kinder solche Freude zeigen. Plötzlich stehen wir vor einer Verzweigung. Und ich dachte, auf einem Klettersteig könne man sich nicht verlaufen. Ich gehe erst mal nach links und gelange zum Bach. Wir stehen nun über dem Unteren Engstligenfall. Das Wasser tost, fliesst an uns vorbei und fällt jäh über die Kante ins Nichts.



Nach einer Stärkung steigen wir wieder zurück und nehmen diesmal den Weg gerade hoch. Es wird nun immer grüner, der Fels und das Geröll weichen Wiesen. Und was für welchen! Der Bergfrühling ist in vollem Gange, Dutzende verschiedene Blumen blühen. Es ist eine wahre Pracht! Ein Bänklein lädt zu einer Pause ein. Ein anderes Mal vielleicht. Das Drahtseil führt nun mitten durch die Wiese, es ist jetzt mehr eine Wanderung als eine Kletterei. Allerdings geht es am Rande dieser Wiese senkrecht nach unten, so dass man besser noch eingeklinkt bleibt. Aber bald erreichen wir das Routenbuch, das gleichzeitig das Ende des Klettersteigs markiert. Vor uns tost der Obere Engstligenfall.




Wir steigen weiter hoch durch wunderschöne Blumenwiesen. Unterwegs steht am Wegrand eine Tafel. Sie erklärt das Wasserkraftwerk der Engstligenalp. Dessen Eingang liegt ein paar Meter neben dem Weg, nur der Eingang ist sichtbar. Mittels Computersimulation wurde vorgängig ermittelt, wie es gebaut werden muss, damit es von nirgends her sichtbar ist.

Sämi führt uns nun hinein in den unterirdischen Bau. Es zieht mächtig wegen der Lüftung, die für Kühlung sorgt. Von einer Plattform aus sehen wir auf das Turbinengehäuse und den Generator. Sämi erklärt uns die ganze Anlage. Wie es sich gehört heutzutage, kann die Anlage aus der Ferne überwacht werden. Die Turbine ist dreigeteilt, so dass sie je nach Wassermenge immer im optimalen Wirkungsbereich dreht. Die Anlage liefert über das ganze Jahr betrachtet doppelt so viel Strom wie die Bergbahnen für alle ihre Anlagen brauchen.
Nach dieser interessanten Führung erreichen wir bald die Hochebene. Dort steht auch das Stauwehr, wo das Wasser gefasst wird für das Kraftwerk. Ein Teil des Wasser wird abgezweigt in das Entsanderbecken, wo das Wasser beruhigt wird, damit sich der restliche Sand noch setzen kann, bevor das Wasser durch die Röhre auf die Turbine fliesst. Nach dem Turbinieren wird es oberhalb des Wasserfalls wieder eingeleitet, so dass die gesamte Wassermenge den Wasserfall hinunter fliesst.


Es ist immer noch trüb und verhangen, die Zeit verfliegt aber trotzdem im Nu. Wir beziehen unsere Unterkunft im Berghotel Engstligenalp, wo uns ein Dreierzimmer, in das noch ein zusätzliches Bett gestellt wurde, zur Verfügung gestellt wird. Einfach, aber für uns absolut genügend. Das Abendessen schmeckt sehr gut, die Bedienung ist freundlich und aufmerksam. Nur das Wetter lässt zu wünschen übrig...

Bouldern oder nicht?

Am nächsten Morgen. Draussen regnet es in Strömen. Da heitert auch das Morgenbuffet die Laune nicht richtig auf. Jedenfalls haben wir keine Eile. Ich schreibe meine Notizen, die anderen üben sich im Billard. Die Kinder lassen die Mama fast ein wenig alt aussehen. Anfängerglück? 

Irgendwann im Verlaufe des Morgens hört es auf zu regnen. Wir wollen nun doch noch den kinderwagengerechten Rundwanderweg unter die Füsse nehmen. Die Kletterschuhe und das Magnesia packen wir in den Rucksack für den Fall, dass es wirklich noch abtrocknen sollte. Auf die Bouldermatte, die man wie auch die Kletterschuhe und Magnesia im Hotel Engstligenalp ausleihen kann, verzichten wir aber. Um so wichtiger wird das Spotten sein, das heisst, eine Person beobachtet den Kletternden und ist bereit, ihn abzufangen, wenn er stürzen sollte. So wird verhindert, das der Kletternde unkontrollierten Bodenkontakt erfährt.
Wir wagen uns also mal nach draussen. Es regnet tatsächlich nicht mehr, aber alles ist natürlich nass. Auch der Rundwanderweg ist gehörig nass, man muss aufpassen, dass man nicht in eine Pfütze tritt. Rund um uns herum zwitschert es. Mit der Zeit finden wir heraus, dass es sich um Steinschmätzer handelt, einem typischen Gebirgsvogel.



Und überall: Blumen, Blumen, Blumen. Einfach wunderschön, wie zur Zeit die Wiesen blühen. Etwas, das bei uns im Flachland weitgehend verloren gegangen ist wegen der Intensivierung der Landwirtschaft. Bäche durchziehen die Ebene, überall gibt es wunderbare Spielmöglichkeiten. Ganz hinten im Tal, bevor der Weg ansteigt zum Ammertenpass, erreichen wir den ersten Block des Boulderparcours, der zusammen mit Bimano und Mammut eingerichtet wurde. Die Routen, oder "Probleme", wie sie beim Bouldern genannt werden, sind mit unterschiedlichen Farben markiert. Grüne Pfeile signalisieren die einfachsten Probleme, dann steigert sich die Schwierigkeit von blau über rot zu schwarz, wie auf der Skipiste. Wir üben zuerst mal in den blauen Routen. Eins ums andere Mal steigen die Kinder hoch. Bouldern entspricht dem natürlichen Bewegungsbedürfnis von Kindern, da sind unsere natürlich keine Ausnahmen.



Nach einem Irrweg sind wir wieder auf dem richtigen Pfad und beim nächsten Block. Auch dort turnen wir in verschiedenen Routen herum. Dann kommen wir zu einem der schönsten Blöcken: Ein schön geformter Fels mitten in der Wiese. Wieder wird er von allen Seiten bestiegen, wir verweilen hier am längsten. Inzwischen drückt zeitweise auch die Sonne durch, was wir wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Nachdem sich alle müde geklettert haben, setzen wir unseren Weg auf dem Rundgang fort. Inzwischen sehen wir auch den grössten Teil der Berge ringsum. Aus dem breiten Grat im Osten erhebt sich das Tschingellochtighorn, auf der anderen Seite liegt das Ueschenental. Am Wegrand sind immer wieder Blöcke, die zum Klettern einladen. Man kann also selbst mit Kleinkindern im Kinderwagen seiner Leidenschaft nachgehen.






Wir streben nun der Seilbahn zu, die wir diesmal benützen. Von der Bergstation aus hat man eine schöne Sicht auf Adelboden. Auch wenn das Wetter nicht optimal war, es hat uns sehr gut gefallen. Wir werden bestimmt wieder mal kommen, es gibt noch so viel zu tun und zu entdecken dort.
Herzlichen Dank an die Bergbahnen Engstligenalp AG, die uns an diesem Wochenende grosszügig unterstützt hat. Unabhängig davon ist meine Begeisterung für das Gebiet echt und entspricht meiner eigenen Meinung.

Mehr Bilder: https://flic.kr/s/aHske75Bn8

Infos

Wer sich den Klettersteig oder das Bouldern nicht selber zutraut oder von Profis lernen will, findet in der Alpinschule Adelboden den idealen Partner.
Abgesehen vom kinderwagentauglichen Rundwanderweg auf der Hochebene gibt es noch verschiedene andere Wanderungen, zum Beispiel den Oberer Wasserfallrundweg, der unterhalb des Oberen Engstligenfalls durchführt, oder der Seeli-Weg, der zu den Dossenseeli führt und ein bisschen Schnauf erfordert. 
Die Engstligenalp ist aber auch Ausgangs- oder Etappenort für Etappenwanderungen, zum Beispiel erreicht man von hier aus das Berghotel Schwarenbach oder die Lämmerenhütte. 
Wer es gemütlicher möchte, kann sich mit einem Älpler-Zmorge inklusive Käsereibesichtigung verwöhnen lassen, oder jeweils am Sonntagnachmittag mit "Musig uf der Alp". Auf der Alp sind auch allerlei Tiere anzutreffen: Kühe natürlich, Geissen, Esel, Hühner und Ponys. Mit dem Feldstecher lassen sich auch Gämsen entdecken. 
Sind die Kühe wieder im Tal, verwandelt sich die Hochebene in einen Golfplatz, dem "GolfMountain", einem echten 18-Loch-Golfplatz. Im Raclettestübli kann man sich dann nach einer Partie stärken. Dieses wird jeweils in einem Kuhstall aufgebaut, ist also auch erst nach dem Alpabzug offen. Detailliertere Infos gibt es unter http://www.engstligenalp.ch. Es gibt also für aller gattig Lüüt viel zu tun.

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